Zum Begriff
Wissen Sie noch, wie Sie auf diese Seite gekommen sind? Wenn Sie über eine Suchmaschine hierhin gekommen sind: Wissen Sie noch, was Ihre Suchbegriffe waren? Vermutlich war mindestens einer der beiden Begriffe dabei: "Stundengebet" / "Stundenbuch" oder "Brevier". Und da sind wir auch schon beim Kern.
Verschiedene Begriffe - verschiedene Traditionen und Gehalte
Diese beiden Begriffe repräsentieren auch zwei unterschiedliche Verständnisse bzw. Entwicklungen des "Tagzeitengebets". Und dieser letzte Begriff akzentuiert den Begriff "Stundengebet" in die Richtung, in die sich das Tagzeitengebet seit der Liturgiereform des II. Vatikatinischen Konzils entwickelt hat. Zugleich schlägt dieser Begriff eine Brücke hinüber zu den anderen christlichen Kirchen, die die Tradition der Tagesheiligung durch Gebet zu bestimmten Tagesstunden kennen.
Brevier - Breviarium (Romnanum)
Das aus dem lateinischen Wort "brevis", "kurz", abgeleitete Wort kennzeichnet diese Tradition dem Ursprung nach. Das Tagzeitengebet wurde in einer frühen Entwicklungsphase (vgl. beispielsweise die Regel Benedikts) vor allem im klösterlichen Leben gepflegt. Im weiteren Verlauf übernahmen Priester in Gemeinden die klösterliche Liturgie. Insbesondere reisende Klösterbrüder und Priester waren gehalten, auch außerhalb ihrer Lebensgemeinschaft das Chorgebet zu feiern, mithin privat zu rezitieren.
Als immer mehr Mitglieder eines Klosters reisend unterwegs waren, mithin auch Priesterbrüder in der "Welt" tätig waren, entwickelten sich für den Gebrauch "unterwegs" Verzeichnisse, die die Kurzangaben des Tagzeitengebets enthielten. Der Begriff hierfür war "breviarium". Später wurden die Texte, die nicht (mehr) auswendig rezitiert werden konnten, auch ausgeschrieben, wodurch eine eigene Buchform, und als Folge des Zerfalls, eine eigene Art Privatliturgie mit einem Verpflichtungscharakter entstand.
Das Breviergebet wurde somit zum Standesgebet für die Kleriker außerhalb des Klosters, die verpflichtet sind und waren, für die Ihnen anvertrauten Menschen das Gebet der Kirche zu verrichten. Dabei lag der Akzent stärker auf der Pflichterfüllung - daher auch der Begriff "Offizium" (lat., "Pflicht, Amt") - als auf der Heiligung des Tages bzw. des Gotteslobes.
Als im 16. Jahrhundert das Breviarium Romanum eingeführt und somit diese Entwicklung fortgeführt, vereinheitlicht und normiert wurde, trat der ursprüngliche Gedanke des Gotteslobes während des Tages immer mehr in den Hintergrund. Das Brevier blieb - mit nur wenigen änderungen - etwa 400 Jahre in Gebrauch und brachte mitunter manche Auswüchse, die zu Erweiterungen und Doppelungen führten.
Stundenliturgie - Liturgia Horarum
Diese Entwicklung wurde erst im Grundsatz durch das II. Vatikanische Konzil aufgebrochen, das einerseits den Umfang der Stundenliturgie radikal verschlankte und andererseits das eigentliche Ziel, nämlich das fortwährende Gotteslob, wieder in das Zentrum der überlegungen rückte. Damit rückte es auch von der Privatrezitation wieder in den Blick gemeindlicher Liturgie.
Diese Repositionierung des Koordinatenkreuzes schlug sich auch im Namen der erneuterten Tagzeitenliturgie wieder: Stundenliturgie - Liturgia Horarum. Dieser Begriff ist sicher noch nicht der Beste, macht aber zum alten Verständnis einen deutlichen Schnitt. Wichtig scheint mir, daß neben der Meßfeier auch das Tagzeitengebet Liturgie ist - und zwar gleichberechtigt mit einem anderen Akzent. Und daß es keines besonderen Amtes bedarf, sich dieser Liturgieform anzuschließen.
Schon die Liturgiekonstitution des Konzils ("Sacrosanctum Concilium", SC) rückt die Tagzeitenliturgie vom Standesgebet am Rande der Kirche wieder mehr zum Mittelpunkt der gemeindlichen liturgischen Feiern (SC 83-101). Gleichwohl werden die Ordensleute und Seelsorger eindringlicher Verpflichtet, die Tagzeitenliturgie eingedenk ihres Stellvertreteramtes für die Gemeinde einzuhalten. Wieviel Entlastung, wieviel Gemeinschaft entspringt dem gemeinsam gefeierten Stundengebet, wenn die Seelsorger mit der Gemeinde das Gotteslob singen?!
"[...] 100. Die Seelsorger sollen darum bemüht sein, dass die Haupthoren, besonders die Vesper an Sonntagen und höheren Festen, in der Kirche gemeinsam gefeiert werden. Auch den Laien wird empfohlen, das Stundengebet zu verrichten, sei es mit den Priestern, sei es unter sich oder auch jeder einzelne allein. [...]"
Leider betont das II. Vatikanische Konzil noch viel zu wenig den gemeinschaftlichen Charakter des "Laudis canticums", des Lobgesangs der Tagesheiligung.